Seit Ostersonntag erstrahlt Billi Thanners Himmelsleiter am Südturm des Stephansdoms als Symbol der Hoffnung
Die Himmelsleiter der Künstlerin Billi Thanner ragt neongoldleuchtend am Südturm des Stephansdomes in den Wiener Himmel. Die Kunstinstallation besteht aus einer Neonleiter, die bei der Taufkapelle beginnt, das Gewölbe durchstößt und dann außen bis zur Spitze des Südturmes führt.
Jakob, der auf der Flucht ist, sieht im Traum eine Leiter, die von der Erde bis zum Himmel reicht, auf der Engel auf- und niedersteigen. Gott verheißt ihm Rettung, Zukunft, Hoffnung und Segen für sich und seine Familie.
Die Sprossen der Leiter stehen für die Tugenden. Ausgehend von dieser alttestamentlichen Jakobsleiter wird in der christlichen Spiritualität der persönliche Weg eines Menschen zu Gott oft mit einer Leiter oder Treppe ins Paradies verglichen. Dieser Weg in den Himmel führt über die Stufen der Tugenden. Mit jeder weiteren Sprosse werden egoistische Bedürfnisse dieser Welt zurückgelassen, um immer mehr die Nähe Gottes zu erleben.
Die Illumination steht in dieser herausfordernden Zeit für die drei göttlichen Tugenden Hoffnung, Glaube und Liebe – stellvertretend für die große Zahl an Tugenden der spirituellen Tradition der Kirchenväter, ganz besonders der Wüstenväter. Einer von ihnen, Johannes Klimakos (+ um 649) lebte bereits 16-jährig als Mönch auf der Sinaihalbinsel; dort war er 40 Jahre Eremit, davon einige Jahre Abt eines Klosters. Er schrieb ein Werk der christlichen Aszese, das zu den wichtigsten Schriften in der monastischen Tradition zählt: „Die Leiter zum Paradiese“. In 30 Stufen schildert er darin den geistlichen Aufstieg des Mönchs: Vom Bruch mit der Welt, über die Grundtugenden, die Reinigung des Gottessuchers, die Krönung des Weges der Praxis, bis zur Einigung mit Gott führen diese Schritte des geistlichen Wachstums, sie enden in der Agape, des Ruhens in Gott durch Glaube, Hoffnung und Liebe.
Eine Schule der Herzensbildung also, die nicht nur Mönchen in der Wüste gut ansteht, sondern für jeden Menschen die Einladung ausspricht, im Alltag die Herzensqualität zu erhöhen. Welche Tugend, in welcher Anzahl und unter welchen Bezeichnungen Tugenden gewählt werden, ist dabei nachrangig.
Die Kardinalstugenden Klugheit, Tapferkeit, Gerechtigkeit und Mäßigung meinen jedenfalls die Grundausrichtung eines christlichen Bemühens um ein erfülltes Leben. Drumherum können viele Tugenden eingeübt werden, die dieses Bemühen um ein gutes Leben ausfächern.
Damit wir alle in den Himmel kommen. (Dompfarrer Toni Faber)
Billi Thanner: „Der Blick von unten nach oben ist die erste Sprosse selbst nur Vorbereitung zur Vorbereitung, und wenn man genauer hinblickt, fängt es eigentlich erst bei der letzten Sprosse an. Der Mensch geht oft in vielerlei Weise über sich hinaus und jedes Mal erfüllt er dabei sein eigentliches Leben mit Sinn. Die Himmelsleiter als Sinnleiter, so oft, bis wir erkennen, dass die unterste Sprosse gleich ist wie die Oberste. Für mich bedeutet das, dass wir das Leben auf verschiedenen Ebenen und Rängen leben. Sie, die Himmelsleiter, lehrt uns aber auch, dass es nicht darauf ankommt, welches Leben wir führen, sondern auf welchem Niveau. Niemand braucht sich Sorgen zu machen, aber das wird für uns vielleicht erst deutlich, wenn wir auf den oberen Sprossen der Himmelsleiter stehen“, erläutert Billi Thanner die Bedeutung, die die Himmelsleiter für sie hat.“ Mehr über die Künstlerin
Die Künstlerin über die Tugenden: "Die Achtsamkeit begleitet von Anstand, getrieben von Ausdauer. Sich selbst rausnehmen zeigt Bescheidenheit. Meine Dankbarkeit bringe ich mit dieser Performance zum Ausdruck. Diskretion sowie Disziplin machen es möglich. Getanzt wird heute durch alle diese Tugenden, weil viel Fleiß dahintersteckt. Und mit Ehrlichkeit, Freundlichkeit, Geduld, Gerechtigkeit, Gutherzigkeit und Großzügigkeit erleben wir die Hingabe. Getragen davon bleiben wir bei der Höflichkeit. Unsere Klugheit benützen wir mit Mitgefühl, um uns niemals über den anderen zu erheben. Auf Augenhöhe mit Mut, Offenherzigkeit, Respekt, Rücksichtnahme, Selbstlosigkeit und Standhaftigkeit gelingt es uns durch Tapferkeit, Treue, Unvoreingenommenheit, Vergebung, Weisheit, Weltoffenheit und Zielstrebigkeit alle Sprossen erklimmen und erleben wir Beständigkeit. Freiheit, ist für mich Ausdruck und Mittel der individuellen Selbstverwirklichung und das einzige jedem Menschen angeborene Recht, aus dem andere Urrechte allenfalls folgen, ohne ihr darum doch gleichgestellt zu sein. Die Performance ‚Die 33 Tugenden' verdeutlicht was ‚Freiheit’ bedeutet und wie stark andere Tugenden wie z.B. ‚Mut’, ‚Zielstrebigkeit’, ‚Tapferkeit’, ‚Gerechtigkeit’ und ‚Respekt’ damit zusammenhängen. Wenn wir uns der ‚Freiheit’ bewusst sind, was auch voraussetzt ‚Selbstsein-Können’, auch gegenüber ‚dem anderen Selbstsein’, erkennen wir, dass nur mit „Kollektiver Standhaftigkeit“ – dem kollektiven Zusammenhalt – der Einzelne in der Gemeinschaft existieren kann und von ihr getragen wird. Es sind nicht die einzelnen Tugenden, die beliebig zu etwas führen, was unserem Begriff von Moral gerecht wird, sondern möglicherweise die Gesamtheit aller.“